Ahlam Shibli احلام شبلي

back to Top


© Ahlam Shibli
ED
Ahlam Shibli — TRACKERS

Einführung

Adam Szymczyk, 2007



Trackers ist eine Serie von 85 Farb- und Schwarz-Weiß- Fotos von Ahlam Shibli, die von Januar bis Juli 2005 gemacht und zum ersten Mal vollständig im Januar und Februar 2006 in der Kunsthalle Basel ausgestellt wurden. In mehreren narrativen Gruppen organisiert, werden die Bilder hier zusammen mit vier ausführlichen Texten veröffentlicht, die sich mit der Politik von Bildern und dem größeren historischen und soziopolitischen Zusammenhang der Serie befassen.

Trackers ist ein zusammenhängender Bericht über die militärische Ausbildung von jungen Palästinensern, die freiwillig in der so genannten "Tracker"-Einheit der israelischen Streitkräfte dienen. Tracker werden unter Palästinensern beduinischer Herkunft rekrutiert und in den besetzten palästinensischen Gebieten sowie an den Grenzen Israels eingesetzt. Zu ihren Aufgaben gehören Grenzpatrouillen und die Verfolgung von illegalen Grenzgängern. Die Freiwilligen betrachten ihren Dienst in der israelischen Armee als die einzige Möglichkeit, ihren Status und ihre Wertschätzung in der israelischen Gesellschaft zu verbessern. In Anerkennung ihres Dienstes erhalten sie Vergünstigungen, die bis zur Unterstüzung beim Kauf von Land gehen können, das zum Bau eines Hauses geeignet ist.

Ahlam Shibli präsentiert ihre Protagonisten in vollkommen unheroischer Art und Weise. Die Künstlerin konzentriert sich auf den Alltag der Soldaten. Sie zeigt, wie das Lager funktioniert: Wir sehen Soldaten, die ihre Waffen oder Zelte reinigen, sich ausruhen, schlafen oder darauf warten, dass das Training beginnt oder endet. Diese scheinbar bedeutungslosen, kaum voneinander unterschiedenen Ereignisse der täglichen Routine finden ihren Höhepunkt im Augenblick der Transformation, wenn die Rekruten im Namen des Korans ihren Fahneneid auf die israelische Armee und den Staat Israel leisten und damit zu offiziellen Soldaten der israelischen Streitkräfte werden. Die Künstlerin ist den Soldaten auch in ihrer Freizeit gefolgt und ihrer kulturellen und sozialen Herkunft nachgegangen. Sie beobachtet das tägliche Leben in den Dörfern, aus denen die Tracker kommen und in die sie zurückkehren werden: Sie dokumentiert ihre Familienbeziehungen, das Innere ihrer Häuser, eine Bar in der Nachbarschaft, halb zerstörte oder im Bau befindliche Häuser, die rudimentäre Infrastruktur der Dörfer. Unter anderem hat sie auch einen Friedhof von Palästinensern fotografiert, die für Israel gefallen sind und deren Gräber neben den Gräbern von Palästinensern liegen, die gegen Israel gekämpft haben. In den verstreuten palästinensischen Gemeinden wird der Fahneneid, den die Tracker auf den Staat Israel leisten, unterschiedlich beurteilt: Manche halten sie für Verräter, während andere sie um ihre bessere wirtschaftliche Lage beneiden.

Die Trackers-Serie konnte nur aufgrund von Ahlam Shiblis intensiven Recherchen und vorbereitenden Arbeiten vor Ort sowie ihren zahlreichen Gesprächen mit Dorfbewohnern, Soldaten und Feldforschern in Israel und anderswo realisiert werden. Shiblis Projekt erforderte ein großes persönliches Engagement für das Thema und ein außergewöhnliches Wissen, das aus vielen, oft widersprüchlichen Quellen stammt. Trackers ist das Ergebnis dieser Forschung und wird hier zum ersten Mal als Buch veröffentlicht.



Adam Szymczyk

Direktor der Kunsthalle Basel




This essay was published in:

Ahlam Shibli: Trackers. Edited by Adam Szymczyk. Exh. cat. Kunsthalle Basel. Cologne: Verlag der Buchhandlung Walther König, 2007. (Essays by: John Berger, Jean-François Chevrier, Okwui Enwezor, Rhoda Kanaaneh, and Adam Szymczyk.)



back to Essays